Wo lag das Raphana der Dekapolis?
Raphana, welches nur einmal im Zusammenhang mit der Dekapolis erwähnt wird, wird von verschiedenen Wissenschaftlern an völlig unterschiedlichen Orten gesucht. Durch das Weglassen von Raphana in der 2. Liste der Dekapolisstädte suchen es manche so in Abila, oder Capitolias/Beit Ras. N. Fuller, welche in Abila und dem Wadi Queilbeh ausgrub, glaubte nicht an diesen Zusammenhang und suchte die Ortslage Raphana in Er-Rafid im Golan nordöstlich vom See Genezareth, da der Ort gemäß G.Schumacher zumindest einige wenige Ruinen und einen kleinen Aquädukt hatte. Sie konnte diese These jedoch nicht bestätigen.
Wieder andere stellten eine Namensähnlichkeit zum biblisch genannten Raphon her und da dieses wiederum auf der Khirbet er Rafe gelegen haben soll, vermuteten diese das Raphana der Dekapolis dort. Diese These wurde seit R.Dussaud 1927 (S.338f) oft wiederholt, doch basierte schon Dussaud's Einschätzung nur auf theoretischen Erwägungen und ungenauen alten Karten, sowie Vergleichen mit anderen potentiellen Ortslagen. Dussaud kannte die Ortslage nicht und ordnete sie sogar dem falschen Flusslauf zu.
Mir sind jedoch keinerlei Grabungen dort bekannt, die dies auch nur im Ansatz belegen könnten. Bis in die heutige Zeit ist das Areal von syrischem Militär besetzt. So zeigen selbst alte Satellitenbilder nur Militärstellungen und ein auf diese Art großräumig umgeackertes Areal. Strategisch aber gut am Flußlauf des Wadi Ezra gelegen, positioniert es sich zwischen den alten wesentlich größeren Ortslagen Sheik Mishkin im Südwesten und Ezra (das antike Zorava) im Nordosten. Von Norden führt über 1,3km weiter westlich die alte Pilger und Handelsstraße vorbei, doch es ist selbst auf alten Bildern keine Wegeverbindung dorthin zu finden. Keiner der zahlreichen internationalen Reisenden, seit dem 17. Jhd., erwähnt auch nur einen archäologisch relevanten Rest, oder gar ein Kapitell oder ähnlich. Es verbliebe also nur die schon vor 100 Jahren herangezogene Namensähnlichkeit von er-Rafe zum Raphon des Judas Maccabäus.
Östlich dieser Ortslage überquert der Dekapolis Aquädukt auf einer bisher noch nie beschriebenen Brücke bzw. deren Resten das Wadi Ezra.(Link)
Trotzdem ist auszuschließen das Khirbet er Rafe eine Dekapolisstadt war, nichts deutet darauf hin und für eine Seitenableitung vom Dekapolis Aquädukt gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Wo lag also Raphana?? Das auch aus den ersten kirchlichen Konzilen bekannte Raphanaea (heute Zor Baarin) , welches nordwestlich von Emessa (heute Homs) und weit entfernt in Nordsyrien liegt, wird im Regelfall ausgeschlossen. Da es sich um Orte mit hellenistischer Tradition bzw. Besiedlung gehandelt haben muss und alle bis auf das hier ebenfalls noch angesprochene Dion ausnahmslos Bischofssitze wurden, gibt es einen sehr plausiblen Kandidaten zumindest für seine Nachfolgesiedlung.
Das heutige el Musmije am Nordwestende der Trachonitis ( El Leddja) hieß zu damaliger Zeit "Phaena" bzw. "Phanae". Als Bischofssitz trug sie den lat. Namen "Phaenesiensis"
Hier befanden sich griechisch römische Tempel, ein Einkehrhaus (Inn) und vieles mehr. Die Reisenden des 19. Jhd. schreiben von einer Stadt, welche zu Ihrer Zeit vom Umfang her größer als Bosra, Jerusalem, oder gar Damaskus war. Ebenfalls sehr interessant und die von mir hier erstmals vorgetragene These bestätigend, sind die sonst immer mit Raphanea im Norden in Zusammenhang gebrachten römischen Legionen. Von beiden, der LEG III Gallica und der LEG XVI Flavia Firma, wurden nach J.L.Burckhardt, Waddington und anderen, mehrere Weihe- und Stifter-inschriften des 2.-4.Jhds. nach Chr. gefunden. Das sogenannte Pretorium eines der größten Bauwerke der Region wurde um 171 AD (A. Segal 164-169 AD) errichtet. Ursprünglich einer der Tempel der Stadt, wurden in Ihm später vermutlich verschiedene Statuen militärischer und städtischer "Größen" aufgestellt, nochmals später wurde dieses besondere Bauwerk, als Kirche genutzt.
Im 4. und 5. Jahrhundert scheint der Name der Stadt wieder unterschiedlich interpretiert worden zu sein. Die Notitia Dignitatum verweist unter dem Dux Arabia auf Dia-fenis, welches von O.Seeck folgerichtig mit Phaina /Phaena gleichgesetzt wird. Zu diesem Zeitpunkt, sowohl als wichtiges Zentrum (Metrokomia) , wie auch als Standort von Bogenschützeneinheiten erwähnt, war die Leg. III Gall., gemäß der Not. Dign. zu dieser Zeit in Danaba bei Damaskus stationiert. (Das nördlich Emessa gelegene Raphanaea, wird in diesem umfangreichen Staatshandbuch nicht erwähnt).
Wir verdanken es den frühen Reisenden des 19. Jhd. das wir hiervon noch Kenntnis haben, denn zwischen 1870 und1890 wurde der Tempel und viele weitere Gebäude im Ort, durch osmanische Truppen komplett geschliffen und die Steine wohl in Militärlagern der Umgebung wieder verwendet. So belegen zum Glück die damals schon Beschriebenen und zahlreiche weitere Inschriften, auch aus der näheren Umgebung, sowie an Türmen und Meilensteinen der direkt durch die Lavafelder der Leddja gebauten Straße, dass die genannten Legionen hier über nahezu ein volles Jahrhundert hinweg, ihr Hauptlager hatten und sich teilweise selbst, als deren Einwohner bezeichneten.
Die Nähe zu einem großen Kastell mit Legionsgröße ( genannt Ar-Rafi'ah) weiter östlich, welches ebenfalls wie Phaena die verbindende Ebene zwischen Arabien und der Jordanbrücke nördlich des See Genezareth ( Jisr Bene Jacob) überwachen konnte, macht die strategische bedeutsame Lage deutlich. Es erscheint sehr plausibel dass dieses Kastell bis zum Ende der Partherkriege (162 n.Chr.) die Vorgängersiedlung und Legionsbasis vor Phaena war. Siehe auch die Dekapolis
Ebenso ist Phaena einer der ausgewählten und scheinbar bedeutenden Orte , welche auf der Tabula Peutingeriana zu finden sind. Dort als Aenos verzeichnet liegt der Ort, welcher auf dem Rand der erhöhten Lavaströme der Trachonitis liegt, zwischen Damaskus und Canatha. Die auf der Karte angegebenen Meilenabstände sind mit der Realität nahezu identisch.
Bezüglich der Verortung des Raphana der Dekapolis, in Ar Rafi' ah und folgend in Phaena/el Musmije ,erhoffe ich mir eine gute wissenschaftliche Diskussion.